05. Nov 2024
In einer Podiumsdiskussion auf dem KNX Smart Energy Summit Online-Event "Smartes Energiemanagement mit KNX" diskutierten vier Experten, wie KNX genutzt wird, um die Digitalisierung der Energiewende zu bewältigen.
Wie kann man die Energieflüsse in einem Gebäude steuern? Dieses Thema hat KNX schon sehr früh beschäftigt, und schon sehr früh ging der Fokus über die Grenzen eines einzelnen Hauses oder Gebäudes hinaus: Wie kann das Energiemanagement innerhalb eines Quartiers oder gar einer ganzen Stadt gesteuert werden? Die Antwort gab KNX bereits auf der Light+Building 2012: In der Galeria der Messe Frankfurt präsentierte die KNX As-sociation "KNX City" - und zeigte damit, dass schon damals das Konzept einer Smart City mit bestehenden KNX Produkten angegangen werden konnte.
Neun Jahre später wird das Konzept der Smart City immer noch diskutiert. War KNX damit also zu früh dran? "Ich würde sagen, wir waren schon sehr früh zukunftsorientiert", antwortet Helmut Haßenpflug, Geschäftsführer der IGT GmbH, spontan. Allerdings: Der Bedarf war damals einfach noch nicht da. Bereits 2012 gab es Diskussionen über die Sektorenkopplung und die Elektrifizierung der Mobilität. Damals lag die Zahl der Elektroautos in ganz Deutschland allerdings bei gerade einmal 4.500 Stück. Bis Ende
2020 sind bereits 350.000 Elektroautos auf unseren Straßen unterwegs, und bis Ende dieses Jahres sollen es bereits 1,1 Millionen sein. Wie auch immer die tatsächliche Zahl am Ende des Jahres aussehen wird - sie erreicht jetzt
ein Niveau, "wo es interessant wird", sagt Helmut Haßenpflug. "Wir können die Erfahrungen, die wir in den letzten neun Jahren gesammelt haben, gut nutzen. Denn die Sektorkopplung, einschließlich E-Mobilität und Wallboxen, muss erst einmal gemanagt werden. Mit den Produkten, die wir jetzt haben, können wir das schaffen."
Doch in den vergangenen neun Jahren ist KNX nicht stehen geblieben, im Gegenteil: KNX hat sich rasant weiterentwickelt. Helmut Haßenpflug weiß das aus eigener Erfahrung, denn er hat 2012 die ersten Energiemanagement-Installationen auf Basis von KNX in seinem eigenen Haus durchgeführt. "Damals war der Aufwand noch relativ hoch, vieles musste von Hand programmiert werden", erinnert er sich. Heute geht das ganz einfach über die ETS.
Aber jetzt steht KNX vor neuen Herausforderungen. Zum Beispiel, um Elektroautos im Smart Home aufladen zu können und sie in das Energiemanagement zu integrieren. KNX wird Teil der Elektromobilität: Das Auto muss wissen, was das Haus macht und umgekehrt, und die Daten dafür kommen über den KNX Backbone. KNX übernimmt die Rolle des Dirigenten im Energiekonzert und harmonisiert die Abläufe zwischen bis zu fünf Wallboxen unterschiedlicher Typen und Hersteller, der PV-Anlage mit zugehörigem Wechselrichter, dem Batteriespeicher und den Verbrauchern im Smart Home. "Dass dies bereits möglich ist, ohne dass die Haussicherung durchbrennt, zeigt die Leistungsfähigkeit von KNX in diesem Umfeld, das nun deutlich an Fahrt aufnimmt", sagt Haßenpflug.
Doch mit den steigenden Ansprüchen und den sich ständig erweiternden Anwendungsmöglichkeiten von KNX wächst auch der Beratungsbedarf. Davon kann Jürgen Leppig, Vorsitzender des GIH Bundesverbandes e.V., ein Lied singen. Schließlich geht es den Endverbrauchern nicht nur um das Energiemanagement, sondern auch um den Komfort: "Wer einmal Erfahrungen mit der Hausautomation über KNX gemacht hat, wird in Zukunft nicht mehr auf den Komfort verzichten wollen", stellt er immer wieder fest. Ein weiteres Thema, das aufgrund der demografischen Entwicklung immer interessanter wird, ist das seniorengerechte Wohnen. Auch hier hat KNX viele interessante Möglichkeiten zu bieten, die es älteren Menschen ermöglichen, länger als bisher in den eigenen vier Wänden zu bleiben - was oft ihr größter Wunsch ist.
All das lässt sich mit KNX sehr effizient realisieren, denn das System ist so flexibel, dass "jedes Problem in der Praxis lösbar ist", so zumindest die Erfahrung von Jürgen Leppig. Dies ist nicht zuletzt dem Einfallsreichtum und der Innovationsfreude der rund 500 KNX Mitglieder in 50 Ländern zu verdanken, die mittlerweile eine breite Palette an unterschiedlichen KNX Geräten anbieten, so dass kaum ein Wunsch offen bleibt.
Und dass z.B. die Wärmepumpe in der Regel nur über Modbus und noch nicht über KNX kommuniziert? Das ist kein Problem, es gibt Geräte, die über Modbus-Schnittstellen verfügen und dieses Protokoll in KNX umsetzen. Die Wärmepumpe kann nun auch über das KNX HEMS gesteuert werden. Vor einem Jahr ist sonnen der KNX Association beigetreten, jetzt hat das HEMS die Möglichkeit, die Verbraucher im Haus, einschließlich der Ladestationen, entsprechend dem Batteriespeicher zu steuern, ein dynamisches Lastmanagement durchzuführen und den Eigenverbrauch zu optimieren. "Mit der Gebäudehülle sind wir aber noch lange nicht am Ende: KNX eignet sich für die Sektorenkopplung - da betreten wir ganz neue Gebiete", freut sich Leppig.
Doch so weit verbreitet KNX heute auch sein mag - in Deutschland liegt der Marktanteil von KNX in intelligenten Wohn- und Geschäftsgebäuden bei 46 Prozent -, das System ist noch weit davon entfernt, ein Selbstläufer zu sein. Die Smart-Home-Landschaft ist noch zu zersplittert, es gibt viele konkurrierende und sich überschneidende Systeme, so dass der Unerfahrene zunächst ratlos ist. Hinzu kommt, dass sich das Smart Home ständig weiterentwickelt. Was ist also "wirklich" zukunftssicher? "Meine Erfahrung ist, dass Kunden erst einmal beraten und von KNX überzeugt werden müssen, weil sie von der Vielfalt und Komplexität der Angebote auf dem Markt überfordert sind. Sie können es nicht einmal selbst überprüfen", sagt Hermann Schmidt, Geschäftsführer von HSc Informatik. Er selbst ist schon lange überzeugt, denn er ist nach eigenen Worten bereits 2009 bei KNX gelandet, nachdem er schon vorher mit der Automatisierung seines eigenen Hauses begonnen hatte. Warum hat er sich für KNX entschieden? "Weil KNX kein proprietäres System ist. Denn ich habe schon so manches System in der Versenkung verschwinden sehen, proprietäre Lösungen neigen einfach dazu, zu verschwinden", sagt Schmidt.
KNX hingegen ist eine gute Basis, weil es sich ständig weiterentwickelt, so wie sich auch das Smart Home ständig weiterentwickelt. Und sich weiterentwickeln ist das Gegenteil von verschwinden. Ein weiterer Vorteil: "Ein KNX System kann als offenes System, aber auch als geschlossenes System eingerichtet werden. Das ist ein wichtiger Aspekt in Bezug auf die Sicherheit. Genauso wichtig ist es, sich die Frage zu stellen, was passiert, wenn das Internet ausfällt. Mit KNX ist das Haus dann jedenfalls nicht tot, sondern das Smart Home arbeitet ungestört weiter.
Wie wichtig es ist, dass sich KNX weiterentwickelt, zeigt er am Beispiel eines BHKW-Projekts, an dem er seit 2012 beteiligt ist. Ein Unternehmen hatte sich für die Anschaffung eines BHKWs (40 kW thermische Leistung, 15 kW elektrische Leistung) entschieden, um es bei Bedarf aktivieren zu können. Und zwar deshalb, weil die Versorgung über das Netz sehr instabil war. Auch ein Gaskessel wird bei Bedarf zugeschaltet. Darüber hinaus wurden 150 m entfernte Nebengebäude integriert. Nun wird das System um eine bestehende PV-Anlage erweitert und ein 70 kW Lithium-Ionen-Batteriespeicher in das Energiemanagementsystem integriert. Natürlich sind auch Redundanzen und Notstromversorgungen vorhanden.
"Sie alle müssen miteinander kommunizieren, aber KNX-Schnittstellen sind in diesen Bereichen selten, vor allem Modbus ist dort üblich", sagt Schmidt. Dennoch konnte er das Problem relativ einfach lösen, denn es gibt inzwischen viele Gateways, die die verschiedenen Schnittstellen auf KNX umsetzen: "In diesem konkreten Beispiel haben wir den EibPC² von Enertex Bayern eingesetzt." Was das Beispiel aber vor allem zeigt: "Seit 2012 ist die Anlage in Betrieb und wird weiter ausgebaut - kein Problem für das Energiemanagement auf Basis von KNX."
Für Fachleute wie Hermann Schmidt, der nicht nur das Elektroinstallationshandwerk erlernt hat, sondern auch ein Informatikstudium absolviert hat, ist das freilich kein Problem. Doch wie sieht es generell im Elektrohandwerk aus? Immerhin
Schließlich ist es das Elektrohandwerk, das die Haus- und Gebäudeautomation umsetzen und die Energiemanagementsysteme vor Ort einrichten muss. "Der Energieverbrauch soll bis 2050 um 50 Prozent gesenkt werden", sagt Bernd Zeilmann, Obermeister der Innung für Elektro- und Installationstechnik Bayreuth. "Doch das Elektrohandwerk wurde zu wenig einbezogen. Viele Betriebe kennen sich in diesem Bereich nicht gut aus - nur mit jungen Fachkräften könnten wir das Ziel erreichen." Deshalb wurde der neue Beruf "Elektroniker/in für Gebäudesystemtechnik" geschaffen, um das Ganze zu ermöglichen. "Meine Befürchtung ist aber, dass wir es nicht schaffen werden, den Bedarf, der in naher Zukunft entsteht, durch die neue Ausbildung zu decken." Fachkräfte bleiben Mangelware.
Bernd Zeilmann bedauert, dass zwar auf der Ebene der Technik viel Geld investiert wird, dabei aber meist übersehen wird, dass auch das Elektrohandwerk vor völlig neuen Anforderungen steht. Vorausschauende Energiesteuerung ist das Ziel, "wir müssen also Eigenverbrauch und Eigenerzeugung berücksichtigen, den Zustand des Netzes erfassen, um die Netzkosten zu senken, wir müssen den Strommarkt berücksichtigen, weil es bald flexible Strompreise geben wird, und den ganzen Prozess 96 Stunden im Voraus planen. Letztlich ist es niemand anderes als das Handwerk, das dies alles in den Gebäuden wirtschaftlich attraktiv umsetzen muss. Doch wie das in der Realität aussieht
erläutert Schmidt am Beispiel der "FNN-Projektgruppe Netzintegration Elektromobilität", in der er mitarbeitet. Dort treffen sich die Vertreter der Netzbetreiber, der Automobilindustrie, der Elektronikindustrie und der Wissenschaft. Hier werden die technischen Regeln für die Netzintegration von Elektrofahrzeugen erarbeitet. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt derzeit auf der Steuerbox für die dynamische Steuerung. KNX ist hier eine wichtige Schnittstelle - das alles ist auch für das Handwerk von hoher Relevanz. "Aber ich bin der einzige Handwerker am Tisch", bringt es Schmidt auf den Punkt. Was also ist zu tun? Seiner Meinung nach reicht es nicht aus, wenn sich ein Handwerksbetrieb hin und wieder an einem Projekt beteiligt. "Denn wenn der Handwerker, der ein Projekt auf die Beine gestellt hat, aus irgendeinem Grund plötzlich nicht mehr zur Verfügung steht, funktioniert es hinterher oft nicht mehr." Das darf nicht passieren und deshalb ist es notwendig, dass die Handwerker die Systeme von Grund auf erlernen und verstehen, damit sie den Bau systematisch angehen können. So systematisch, dass ein neuer Fachbetrieb das Projekt bei Bedarf nahtlos übernehmen kann. Dieser Meinung ist auch Bernd Zeilmann: "Es müssen sehr viele Handwerker in KNX geschult werden, damit jeder Betrieb sofort da weitermachen kann, wo ein anderer aufgehört hat. Wir müssen in die Berufsschulen gehen!" Aber reichen die Funktionen der bestehenden KNX Systeme und die Geräte der KNX Mitglieder überhaupt aus, um die Energiewende erfolgreich umsetzen zu können? Laut Zeilmann ist die Tatsache, dass KNX unabhängig und bereits weit verbreitet ist, an sich schon eine gute Voraussetzung. Auch Hermann Schmidt betont: "KNX muss intelligente Schnittstellen schaffen, die jeder versteht, etwas Umfassendes, wie KNX IoT." Bernd Zeilmann sieht das genauso: "Dafür muss mehr Intelligenz in die Systeme kommen." Darauf aufbauend wünscht er sich für die Zukunft weniger Gerätetypen, zum Beispiel durch die Integration von Aktoren und Sensoren.
Laut Helmut Haßenpflug sind alle Voraussetzungen erfüllt und KNX ist schon jetzt gerüstet, eine wichtige Rolle bei der Energiewende zu spielen. Alle notwendigen Systeme sind auf dem Markt verfügbar: "Wir können sie mit den am Markt vorhandenen Hausenergiemanagementsystemen kombinieren". Das funktioniert im Smart Home bereits sehr gut. Im Bereich Heizen und Lüften gibt es allerdings noch einiges zu tun. Zu wenige Anbieter statten ihre Geräte derzeit mit intelligenten Schnittstellen aus oder wollen die Schnittstellen gar nicht erst offenlegen - vor allem in den höheren Leistungsbereichen.
Jürgen Leppig geht das Thema grundsätzlich an: Das gesamte Thema Hausautomation muss in die breite Öffentlichkeit getragen werden. Dabei geht es nicht um die technische Diskussion im Detail. Die Endverbraucher sollen die komplexe Technik dahinter gar nicht bemerken: "Das funktioniert nur, wenn wir überzeugende Lösungen anbieten können." Die jetzt einzuführenden Smart Meter Gateways bieten dafür neue Möglichkeiten. Die Kombination von Smart Metering und Smart Home könnte den endgültigen Durchbruch bringen. Dazu müssten aber mehr standardisierte statt proprietäre Lösungen auf den Markt gebracht werden. Die Nachfrage wächst jedoch und er ist überzeugt: "Die Lösungen werden kommen, wenn der Markt da ist."
Eines stehe aber schon heute fest, so Bernd Zeilmann abschließend: "Sektorenkopplung, Energiewende und Klimaschutz sind ohne KNX nicht möglich".
Helmut Haßenpflug, Geschäftsführer der IGT GmbH:
"KNX bindet schon heute Wallboxen verschiedener Typen und Hersteller, die PV-Anlage mit dem dazugehörigen Wechselrichter, den Batteriespeicher und die Verbraucher im Smart Home in das Energiemanagement ein - ohne dass die dome-tische Sicherung durchbrennt. Das zeigt die Stärke von KNX in diesem Umfeld, das jetzt stark an Fahrt aufnimmt." Jürgen Leppig, Vorsitzender des GIH Bundesverbandes e.V.: "Wer einmal Erfahrungen mit der Hausautomation über KNX gemacht hat, wird diesen Komfort auch in Zukunft nicht mehr missen wollen. Und KNX macht es einfach, ein Hausenergiemanagement zu realisieren, weil es so flexibel ist, dass jedes Problem in der Praxis gelöst werden kann."
Hermann Schmidt, Geschäftsführer von HSc Informatik: "Seit 2009 habe ich so manches System in der Versenkung verschwinden sehen, proprietäre Lösungen neigen einfach dazu, zu verschwinden."
Bernd Zeilmann: Obermeister der Innung für Elektro- und Installationstechnik Bayreuth: "Es müssen sehr viele Handwerker in KNX ausgebildet werden, damit jeder Betrieb sofort da weitermachen kann, wo ein anderer aufgehört hat. Wir müssen in die Berufsschulen gehen! Denn Sektorenkopplung, Energiewende und Klimaschutz sind ohne KNX nicht möglich."
Die Vielfalt der KNX Geräte, die bereits heute im IoT-Umfeld eingesetzt werden können: Sie erfüllen damit die Voraussetzungen, um Sektorenkopplung und Lastverschiebung realisieren zu können. Insbesondere können Ladestationen für Elektroautos in Smart Homes und Smart Buildings integriert werden - so wird die Energiewende gelingen.
Dank des Einfallsreichtums und der Innovationsfreude der rund 500 KNX Mitglieder in 50 Ländern, die inzwischen eine breite Palette unterschiedlicher KNX Geräte anbieten, lässt sich in der Praxis fast jedes Problem lösen, und kaum ein Automatisierungswunsch bleibt unerfüllt.
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